Freitag, 19. Oktober 2012

Le monde et la musique.

Ich bin so doof. Die Scissor Sisters sind am Montag in Bristol, also auf der anderen Seite des Flusses. Und ratet, wer es nicht geschafft hat, sich rechtzeitig Tickets zu kaufen? Richtig. Ich.
Was mich aber zum heutigen Thema führt: Musik. Genauer gesagt, Fotografen und Musik. In den vergangenen Tagen haben wir viel über persönliche Werdegänge, Interessen und Inspirationen gesprochen, aber - unter anderem auch, weil Clive, Paul und Ken schon sehr lange fotografieren - über die Entwicklung der Fotografie und die Einordnung dieser in Hinsicht auf andere künstlerische Disziplinen. Gerade in der Dokumentarfotografie kommt oft die Frage auf, ob das eigentlich Kunst ist, was wir hier machen, oder nicht viel mehr eine technische Disziplin. Immerhin tun wir ja zunächst nichts anderes, als die richtige Blende, die richtige Belichtung, den richtigen Blitz, den richtigen Blickpunkt einzustellen, um abzulichten, was ohnehin da ist. (Püh.) Ich will mich da gar nicht lange mit aufhalten. Dokumentarfotografie ist definitiv Kunst, auch wenn eine Unterscheidung zwischen Kunstfotografie und Dokumentarfotografie gemacht wird. Seit den 80ern wird Dokumentarfotografie regelmäßig ausgestellt und bewundert, und wie die meisten Künstler haben wir den Anspruch, Ästhetik mit Aussage zu verbinden. Andere benutzen den Pinsel oder die Gitarre, wir benutzen unsere Kameras.
Ein weiteres Argument dafür, dass Dokumentarfotografen keinesfalls rationale, rein technisch gesteuerte Köpfe sind, habe ich in Gregynog gefunden. Wie bereits erwähnt, haben unsere Lehrer Clive, Ken und Paul ihre persönlichen Arbeiten vorgestellt und viel über ihre Hintergründe, ihre Gedanken und ihre Inspirationen gesprochen. Worin die drei, die ansonsten sehr unterschiedlich arbeiten, sich einig sind, ist ihre Liebe zur Musik. Paul hat über die Jazz- und Swing-Musik der 60er und 70er Interesse am Civil Rights Movement in den USA gefunden, und ist darüber zur Fotografie gekommen. Er hat uns einige seiner bevorzugten Lieder aus verschiedenen Epochen vorgespielt, und man konnte in seinen Fotos eine ähnliche Entwicklung feststellen wie in der Musik. Clive, der schon sehr lange in Newport unterrichtet, hat uns erzählt, dass er viel weniger Inspiration aus Fotos von anderen zieht als aus der Musik, die er tagtäglich hört, im Radio, auf dem Weg zur Uni. Tim Smith, der Gastdozent, hat als Band-Fotograf angefangen. Und Ken hat uns heute morgen zur letzten Vorlesung mit Country-Musik empfangen, und während wir eingetrudelt sind, hatten er und Paul eine lebhafte Diskussion: "Kennst du die und die Band?" "Nee..." "Solltest du mal hören, könnte dir gefallen." Die iTunes-Bibliothek war nicht von schlechten Eltern, äh, Musikern.
Mein Standpunkt ist vermutlich angelehnt an das alte Sprichwort: "Wer gern singt, kann kein schlechter Mensch sein". Mir haben die Tage in Gregynog jedenfalls wieder einmal gezeigt, wie eng zwei künstlerische Disziplinen, in diesem Fall Musik und Fotografie, verknüpft sein können. Ich glaube, dass Musik ein sehr großes inspirierendes Potenzial hat und wer sich auf Musik einlassen kann, auf die Emotionen, auf die Aussagen, wer sich von der Musik tragen lassen kann, der kann viel daraus schöpfen. Und ich möchte an dieser Stelle anzweifeln, dass rein technisch-mathematisch-rationale Menschen sich sehr viel aus Musik machen. Das habe ich so bisher nicht erlebt. Und selbst wenn. Ich glaube, wenn man sich von Musik - oder jeglicher anderer Kunstform - zu eigenen Werken inspirieren lassen kann, ist oder wird man Künstler.
Ich kann noch viel mehr Beispiele aufzählen. Unser Techniker Dennis, in dessen Biografie als herausragendes Merkmal seine Blues- und Folk-Sammlung genannt wird. Unser Techniker Ian vergleicht jpeg-Dateien gerne mit mp3. Colin, unser Theoriedozent, guckt gerne verrückte Musikvideos von ehemaligen Fotografen. Kieran aus meinem Kurs hat eine Musikbibliothek auf seinem Computer, die für 15 Tage reicht; Kirsty (die später Bands fotografieren will) und Sam haben Karten fürs Glastonbury-Festival, das - wie auch die Scissor Sisters - leider schon ausverkauft ist; Tom reist für Festivals extra nach Frankreich. Und zuletzt bin da ja noch ich. Meine iTunes-Bibliothek ist "nur" 3 Tage lang, aber ich liebe Musik. Ich liebe die Emotionen, die ich daraus ziehe, sei es das eine Lied von Two Door Cinema Club, zu dem ich immer wild rumhüpfen muss, oder das andere Lied von Wir Sind Helden, das mich jedes Mal weinen lässt. Ich liebe Songtexte, und habe ständig irgendwelche Zeilen im Kopf, wenn nicht sogar komplexe Ohrwurmgebilde. Ich brauche Musik und bin ständig auf der Suche nach Neuem. Zur Fotografie hat es mich noch nicht inspiriert, aber die Macht der Musik hat definitiv schon das Schreiben gefördert, die dritte Disziplin, in die ich ganz vernarrt bin. Das mit der Fotografie kommt sicher noch. Ich bin mir da ganz sicher, jetzt, nach Gregynog.

Wie versprochen, noch ein paar künstlerische Ergüsse:
Das Fast-Siegerfoto. Richard. Richard hat übrigens einen der Preise gewonnen (nicht den, den wir gewählt haben, sondern den, den die Dozenten ausgesucht haben), mit seinem Foto von mir. 

Gregynog House

Es ist Herbst in Wales!

Namen, Namen, Namen:
Clive Landen (Achtung, tote Tiere. Und nicht besonders ansehlich. Was auch immer er davor gehört hat.)

Musik:
Die Antwoord - Mit freundlichen Grüßen von Colin. "Schräg" trifft's wohl.
Und ansonsten stehen Coldplay (mal wieder), Radiohead (mal wieder) und Wakey!Wakey! gerade ganz oben in der Hör-Liste.

4 Kommentare:

  1. Bitte lass das mit den toten Tieren. Es ist schwer genug sich ggf. mit dem Gedanken tote Menschen anzufreunden :P Vor allem weil du dann noch weiter weg bist. Und ein Linienflug dahin wohl eher unwahrscheinlich ist. In Halle rennen übrigens viele coole Motive rum. Nach deinem Post zu den Menschen bei der Arbeit schleiche ich immer bei den Bauarbeitern vor der Uni um oder bei dem Kleinwüchsigen in der Buchhandlung.

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  2. Die toten Menschen sind noch ganz weit weg. Und stehen auch nicht ganz oben auf der Wunschliste :P

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  3. Wa, ich will das Bild von dir!

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