Freitag, 12. Oktober 2012

Begegnungen

Und ich hatte doch tatsächlich gehofft, diese Namen nie wieder zu hören. Oder zumindest nur im gequälten Stöhnen meiner lieben Ex-Englisch-Kommilitonen. Aber nein, gestern, alle drei in einer einzigen verdammten Vorlesung: Roland Barthes, Michel Foucault, Edward Said. -- Offensichtlich kommt man um die drei Herren nicht mal herum, wenn man bloß ein paar Bilder schießen will.
Ansonsten muss ich ja mal sagen, dass mir Vorlesungen gar nicht so schlecht gefallen! Gestern nachmittag hatte ich meine erste richtige, so mit Hörsaal und allem drum und dran, und das hat schon Stil. Ich glaube, mir gefallen meine Theorie-Module genauso gut wie die Praxis-Module. Gar nicht übel.
Donnerstags morgens ist immer Talk(show) mit Colin, unserem Ober-Theorie-Dozenten, dessen Enthusiasmus und Aktivität manchmal etwas zu viel für morgens früh sind, bei dem aber die Arbeitsatmosphäre ungleich entspannter ist als sonstwo. Wenn er nicht gerade Fotografen nach Fotografen aus dem immensen Fundus in seinem Kopf gräbt - und hier ein Querverweis auf Malerei im 17. Jahrhundert, dort eine Verbindung zu Polizei-Fernsehserien von 2005, und eben noch eine kleine Geschichte über seine Tochter oder die sinistren Verwandten im deutschen Süden -, dann quetscht er bevorzugt Erstsemestler aus. Wo kommt ihr her? Welche Fotografen mögt ihr - und warum? Wenn ihr im dritten Jahr machen könnt, was ihr wollt, was wäre euer Traumprojekt? Was haben eure Großeltern im zweiten Weltkrieg gemacht? Bei ihm muss auch jeder eine Präsentation geben, fünf Minuten, ohne Skript, über ein paar Bilder, die einen faszinieren/abstoßen/interessieren/irritieren. Gestern waren die ersten drei Versuchskaninchen dran: Und ich schwöre, ich habe noch nie so eine schlechte Präsentation wie die von Agata gesehen. Noch nie. Rücken zur Klasse, und sämtlichen Text in leiser Stimme abgelesen. Colin war trotzdem nett zu ihr. Das macht mir Mut. In zwei Wochen bin nämlich ich dran.
Es gibt sehr freundliche Menschen hier, ich hatte es schon öfter erwähnt. Und heute habe ich es mir wieder selbst bestätigt! So viele nette Begegnungen.
Da war zunächst "that gentleman" (O-Ton Bäckereiverkäuferin) Steve, der Manager bei Wren's Bakery. Der hat nur verständnisvoll genickt, als ich ihm meine üblichen Sorgen vorgetragen habe - documentary photography student, people at work, could I, maybe...? -, mir erklärt, dass ich nicht der erste von der Sorte bin, und dann ohne Zögern die Erlaubnis gegeben, in der Bäckerei zu fotografieren. Muhaha. Mission erfüllt. Dumm nur, dass der verabredete Tag ein Mittwochmorgen ist. Mittwoch morgens um sechs Uhr. Morgens. An dem Tag, an dem ich später noch mit Phil im Sherman Cymru verabredet bin. Das wird ein Spaß...!
Dann waren da John und Ashleigh. Ashleigh arbeitet in einem Fahrradfachgeschäft, wollte sich nicht fotografieren lassen, hat aber sehr nett "nein" gesagt, und als ich gerade wieder gehen wollte, kam John, ein Freund von Ashleigh. John ist passionierter Radler, das ist ja schon mal recht sympathisch, und er kann hervorragend Geschichten erzählen. Hat er dann auch gemacht. Nach einer halben Stunde im Fahrradladen, ohne auch nur ein Foto mehr auf der Speicherkarte, hatte ich ein bisschen Walisisch gelernt, eine detaillierte Wegbeschreibung der besten Radwege aus Caerleon raus, eine Zeichnung von John auf dem Rad ("Never forget Bulmore Road!") und fast noch einen Kaffee und einen Brandy. Diese Waliser.
Dann waren da ein Haufen Afghanen in einem Autowaschsalon, die nicht nur gern bei der Arbeit fotografiert werden wollten, sondern auch mit mir. Neben 130 neuen Bildern haben wir versucht, uns zu unterhalten - hat nur mäßig geklappt, aber ich glaube, erfahren zu haben, dass einer Deutschland und Belgien für das gleiche Land hält, während ein anderer gerne ein eigenes Geschäft aufmachen würde. Jedem das Seine!
Zuletzt war da der nette Herr von der Post, der extra drei leere Blätter mit meinem Briefumschlag gewogen hat, damit wir auch ja richtig lagen mit dem Porto! Anschließend hat er mir geholfen, mein Kleingeld loszuwerden - "Oi! Just give me these old coppers, that's three pennies, keep that silver one, will ya?" Ein- und Zweipence-Stücke sammeln sich ungefähr genauso schnell an wie die kleinen Kupfereuros. Und sie sind genauso nervig.
-- Ach ja, meine Waliser -- ich glaub, mir gefällt's wirklich.
Und ich hätte ja fast... oh nein! ... Andrew und James vergessen. Die sind zwei Tischler, die ich am Mittwoch fotografiert habe. Die bauen grad einen Fish&Chips-Shop, davon können die Waliser ja nie genug haben, und da war ich live dabei. Nun verhält es sich ja so, dass ich, wenn die wahren Waliser den Mund aufmachen, nur die Hälfte verstehe. Andy ist Waliser. Aber wir hatten das mit der non-verbalen Kommunikation schnell raus. Ich winke mit der Kamera, und Andy posiert. Ganz einfach.
Maria, ich weiß, ich hatte versprochen, kein Fleisch mehr hochzuladen. Aber... darf ich vorstellen: Mister Januar.

Das wahre Killer-Foto habe ich dann jedoch von James und der Nagelpistole gemacht. Ich hoffe, dass Clive das im nächsten W.I.P.-Meeting auch so sieht, das wäre nämlich mein "second one in", und das wäre natürlich das Sahnehäubchen dieser Woche. Ein wenig Geduld, werte Leser, ich werde berichten.

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