Mittwoch, 31. Oktober 2012

Feuer und Flamme

Messer, Schere, Feuer, Licht ist für Kinderhände nicht... und mich sollte man am Besten auch nicht in die Nähe lassen. Wie ich gerade gemerkt habe, habe ich mutwillig den UV-Filter meiner Digitalkamera angekokelt, als ich noch ein kleines Stückchen näher... und noch ein Stückchen... und noch eins an Matthew und seine Metallsäge rangekrochen bin. Schöne Fotos, ansonsten.
Ich war heute wieder im Sherman Cymru-Theater und hab den Tischlern/Bühnenplastikern zugeschaut. Sehr eifrig zugeschaut, denn es sind über 600 Bilder entstanden, zumeist von den selben wenigen Motiven... entweder Matthew mit besagter Metallsäge, oder seine Assistentin, die an einer riesigen, wunderschönen Schneeflocke gearbeitet hat. Die Bühne für "Peter Pan" wird fantastisch, so wie es bisher aussieht. Ein riesiges, surreales Wunderland aus Ästen und Schneeflocken in Blau und Rot. Oooh, Theater, wie hab ich dich vermisst!
... der Laptop wird gerade ganz schön warm, während er versucht, die Bilder zu importieren. Es sind insgesamt 1338 Objekte, da ich nicht nur .jpeg-, sondern gleichzeitig auch .raw-Dateien fotografiere. Armer Speicherplatz.
In den nächsten Wochen kann ich immer wieder im Sherman Cymru vorbei gucken, die kennen mich jetzt und sind alle sehr nett und hilfsbereit und fotogen. Besonders freue ich mich auf die Woche vom 19. November an, dann ist "production week" und alles wird fertig und kommt zum ersten Mal auf die Bühne und ganz viele Leute werden ganz beschäftigt sein - und ich mittendrin! Ich wurde heute sogar schon gefragt, ob ich nicht zum Team von "Peter Pan" gehöre. Nun... quasi.

Im Übrigen war meine Rolleiflex endlich beim Onkel Doktor. Und was musste der Techniker feststellen? Es ist nicht nur eine, sondern gleich zwei Maladien, an denen meine Kamera leidet. Das erste ist eine chronische Batterie-Abneigung, die sogleich mit einer noch neueren Batterie behoben wurde, vorerst jedenfalls (und er hatte doch recht, mit seinen Batterien. Grumpf.). Das zweite ist eine gewisse Altersschwäche, der nur mit Sport beigekommen werden kann... Training steht auf dem Programm! Film raus und dann immer schön spulen, klicken, spulen. Mal sehen, wer am Ende mehr Muskeln hat - die Kamera oder mein Daumen.

Ansonsten plane ich ein paar Neuheiten für den Blog, also wundert euch nicht, wenn hier in nächster Zeit mal was anders ist.

Montag, 29. Oktober 2012

Le monde et la technologie.

Like a boss!
Heute war der erste B/W-Entwicklungs-Workshop angesagt, mit Film in Chemikalien tauchen und trocknen lassen und Kontaktabzüge anfertigen und allem drum und dran. Zunächst einmal hat es mich ja sehr beruhigt, nicht der Einzige im Raum zu sein, der das noch nie gemacht hat; und so schwer war es dann auch gar nicht. Das einzig wirklich fiese ist, den Film in kompletter Dunkelheit aus der Dose auf die Entwicklungsspirale und in die Entwicklungsdose zu frimeln, danach geht alles ganz in Ruhe von Statten und auch der null-erfahrene Fotostudent hat eine reelle Chance, einen wunderbaren Film zu entwickeln.
Und schon hatte ich meinen ersten Kontaktabzug! Hurr! Und die Fotos, frisch und fröhlich mit der Nikon F80 weggeschossen, sehen gar nicht mal schlecht aus. Me ever so brilliant, muhaha.

Danach hab ich dann einige Zeit im Computerraum und vor meinem Laptop verbracht, um meine Tickets für Deutschland nächste Woche (uiii!) zu kaufen bzw. auszudrucken. Ein nicht ganz einfaches Prozedere, aber natürlich hab ich auch das gerockt. Und kann das Onlineverfahren von nationalexpress.co.uk jetzt im Schlaf.
Ein erfolgreicher Tag, möchte ich meinen, auch wenn ich kein Foto gemacht hab (na gut, dass eine da oben).

Samstag, 27. Oktober 2012

...und immer schön am Ball bleiben

Rugby bleibt mir ein Rätsel. Aber nachdem ich mir heute ein paar Stunden lang die Finger auf dem Caerleoner Rugbyfeld abgefroren habe, muss ich zugeben: Einen gewissen Reiz hat dieses Spiel schon. Zumindest, wenn ein paar Amateur-Mannschaften sich gegenseitig die Rüben zerkloppen und das ganze Dorf hat drumherum eine gute Zeit. Und ich, mittendrin, mache Fotos. - Zum Glück muss ich nicht mitspielen.
Clive hat gesagt, ich solle produktiver werden. Bitteschön. Opfere ich eben meine Finger für ein paar gute Bilder.


Donnerstag, 25. Oktober 2012

Der Moment...

... in dem man erfährt, dass das Seminar, für das man bis spät in die Nacht eine wunderschöne Präsentation vorbereitet hat, ausfällt:
Määääh.

Als ob die Woche ja nicht nervig genug gewesen wäre!
Montag: Clive, der einem erzählt, man müsse produktiver werden; und Martin Parr, der ein egozentrischer Blödmann ist.
Dienstag: Eine Vorlesung über Landschaftsfotografie in Wales im 19. Jahrhundert
Mittwoch: Bafög-Amt - kein weiterer Kommentar
Donnerstag: Colin ist krank.
Freitag: ... bleibt abzuwarten.

Das Gute an dieser Woche: Ich habe mir eine Torchwood-DVD gekauft, einen Typen in einem Captain-Jack-Harkness-Kostüm getroffen, viele Bilder gemacht, ich war wieder im Sherman-Theater, und ich habe meinen Flug für Weihnachten gebucht! Es ist nicht alles schlecht.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Post vom Bafög-Amt

"...Gem. § 7 Abs. 3 BaföG muss der Fachrichtungswechsel nach dem 1.-2. Semester aus wichtigem Grund erfolgen. Dies ist in der Regel ein Neigungswandel und bleibt bei erstmaligem Wechsel ohne Folgen für die Förderung. Nach dem 3. Semester ist ein unabweisbarer Grund nachzuweisen, eine Förderung ist dann nur noch als vollverzinsliches Bankdarlehen möglich. Bei nicht Vorliegen eines unabweisbaren Grundes ist eine Förderung ausgeschlossen. ..."

Mich dünkt, Studienabbrecher werden von potenziellen Geldgebern nicht gern gesehen. Ich fühle mich diskriminiert. Hätte ich nicht so tolle Leute in Bremen kennen gelernt, würde ich meine 4 Semester dort glatt bereuen.

Sonntag, 21. Oktober 2012

Doc Phots


Von links nach rechts:
Unterste Reihe: Catalin, George, Luke, Paul, Kieran, Tom, Kirsty, moi, Kieran
Zweite Reihe: Clive, Isaac, Hannah, Becc, Jasmin, Richard
Dritte Reihe: Sam, Agata, Clio, Bandia
Vierte Reihe: Sebastian, Dec, Tasha
Fünfte Reihe: Federico, Christoph, Ken

...ta-daa!! Wir Doc Phots. Nicht alle, aber die meisten. (Foto von Catalin. Ich sollte aufhören, Fotos von ihm zu klauen.)

Freitag, 19. Oktober 2012

Le monde et la musique.

Ich bin so doof. Die Scissor Sisters sind am Montag in Bristol, also auf der anderen Seite des Flusses. Und ratet, wer es nicht geschafft hat, sich rechtzeitig Tickets zu kaufen? Richtig. Ich.
Was mich aber zum heutigen Thema führt: Musik. Genauer gesagt, Fotografen und Musik. In den vergangenen Tagen haben wir viel über persönliche Werdegänge, Interessen und Inspirationen gesprochen, aber - unter anderem auch, weil Clive, Paul und Ken schon sehr lange fotografieren - über die Entwicklung der Fotografie und die Einordnung dieser in Hinsicht auf andere künstlerische Disziplinen. Gerade in der Dokumentarfotografie kommt oft die Frage auf, ob das eigentlich Kunst ist, was wir hier machen, oder nicht viel mehr eine technische Disziplin. Immerhin tun wir ja zunächst nichts anderes, als die richtige Blende, die richtige Belichtung, den richtigen Blitz, den richtigen Blickpunkt einzustellen, um abzulichten, was ohnehin da ist. (Püh.) Ich will mich da gar nicht lange mit aufhalten. Dokumentarfotografie ist definitiv Kunst, auch wenn eine Unterscheidung zwischen Kunstfotografie und Dokumentarfotografie gemacht wird. Seit den 80ern wird Dokumentarfotografie regelmäßig ausgestellt und bewundert, und wie die meisten Künstler haben wir den Anspruch, Ästhetik mit Aussage zu verbinden. Andere benutzen den Pinsel oder die Gitarre, wir benutzen unsere Kameras.
Ein weiteres Argument dafür, dass Dokumentarfotografen keinesfalls rationale, rein technisch gesteuerte Köpfe sind, habe ich in Gregynog gefunden. Wie bereits erwähnt, haben unsere Lehrer Clive, Ken und Paul ihre persönlichen Arbeiten vorgestellt und viel über ihre Hintergründe, ihre Gedanken und ihre Inspirationen gesprochen. Worin die drei, die ansonsten sehr unterschiedlich arbeiten, sich einig sind, ist ihre Liebe zur Musik. Paul hat über die Jazz- und Swing-Musik der 60er und 70er Interesse am Civil Rights Movement in den USA gefunden, und ist darüber zur Fotografie gekommen. Er hat uns einige seiner bevorzugten Lieder aus verschiedenen Epochen vorgespielt, und man konnte in seinen Fotos eine ähnliche Entwicklung feststellen wie in der Musik. Clive, der schon sehr lange in Newport unterrichtet, hat uns erzählt, dass er viel weniger Inspiration aus Fotos von anderen zieht als aus der Musik, die er tagtäglich hört, im Radio, auf dem Weg zur Uni. Tim Smith, der Gastdozent, hat als Band-Fotograf angefangen. Und Ken hat uns heute morgen zur letzten Vorlesung mit Country-Musik empfangen, und während wir eingetrudelt sind, hatten er und Paul eine lebhafte Diskussion: "Kennst du die und die Band?" "Nee..." "Solltest du mal hören, könnte dir gefallen." Die iTunes-Bibliothek war nicht von schlechten Eltern, äh, Musikern.
Mein Standpunkt ist vermutlich angelehnt an das alte Sprichwort: "Wer gern singt, kann kein schlechter Mensch sein". Mir haben die Tage in Gregynog jedenfalls wieder einmal gezeigt, wie eng zwei künstlerische Disziplinen, in diesem Fall Musik und Fotografie, verknüpft sein können. Ich glaube, dass Musik ein sehr großes inspirierendes Potenzial hat und wer sich auf Musik einlassen kann, auf die Emotionen, auf die Aussagen, wer sich von der Musik tragen lassen kann, der kann viel daraus schöpfen. Und ich möchte an dieser Stelle anzweifeln, dass rein technisch-mathematisch-rationale Menschen sich sehr viel aus Musik machen. Das habe ich so bisher nicht erlebt. Und selbst wenn. Ich glaube, wenn man sich von Musik - oder jeglicher anderer Kunstform - zu eigenen Werken inspirieren lassen kann, ist oder wird man Künstler.
Ich kann noch viel mehr Beispiele aufzählen. Unser Techniker Dennis, in dessen Biografie als herausragendes Merkmal seine Blues- und Folk-Sammlung genannt wird. Unser Techniker Ian vergleicht jpeg-Dateien gerne mit mp3. Colin, unser Theoriedozent, guckt gerne verrückte Musikvideos von ehemaligen Fotografen. Kieran aus meinem Kurs hat eine Musikbibliothek auf seinem Computer, die für 15 Tage reicht; Kirsty (die später Bands fotografieren will) und Sam haben Karten fürs Glastonbury-Festival, das - wie auch die Scissor Sisters - leider schon ausverkauft ist; Tom reist für Festivals extra nach Frankreich. Und zuletzt bin da ja noch ich. Meine iTunes-Bibliothek ist "nur" 3 Tage lang, aber ich liebe Musik. Ich liebe die Emotionen, die ich daraus ziehe, sei es das eine Lied von Two Door Cinema Club, zu dem ich immer wild rumhüpfen muss, oder das andere Lied von Wir Sind Helden, das mich jedes Mal weinen lässt. Ich liebe Songtexte, und habe ständig irgendwelche Zeilen im Kopf, wenn nicht sogar komplexe Ohrwurmgebilde. Ich brauche Musik und bin ständig auf der Suche nach Neuem. Zur Fotografie hat es mich noch nicht inspiriert, aber die Macht der Musik hat definitiv schon das Schreiben gefördert, die dritte Disziplin, in die ich ganz vernarrt bin. Das mit der Fotografie kommt sicher noch. Ich bin mir da ganz sicher, jetzt, nach Gregynog.

Wie versprochen, noch ein paar künstlerische Ergüsse:
Das Fast-Siegerfoto. Richard. Richard hat übrigens einen der Preise gewonnen (nicht den, den wir gewählt haben, sondern den, den die Dozenten ausgesucht haben), mit seinem Foto von mir. 

Gregynog House

Es ist Herbst in Wales!

Namen, Namen, Namen:
Clive Landen (Achtung, tote Tiere. Und nicht besonders ansehlich. Was auch immer er davor gehört hat.)

Musik:
Die Antwoord - Mit freundlichen Grüßen von Colin. "Schräg" trifft's wohl.
Und ansonsten stehen Coldplay (mal wieder), Radiohead (mal wieder) und Wakey!Wakey! gerade ganz oben in der Hör-Liste.

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Gregynog

Gregynog ist ein sehr kleiner Ort mitten in walisischen Nichts, und in Gregynog steht ein altes Pseudo-Tudor-Haus, welches sehr groß ist, der University of Wales Newport gehört und welches gerne ein paar Studenten für ein paar Seminare beherbergt. (Angeblich spukt's hier auch, aber ich hab noch keine Geister gesehen.)
Wir haben Vorlesungen unsere drei Bosse Clive, Ken und Paul, einen Gastdozenten, und ansonsten lernen wir ein bisschen was über Blitz-Fotografie und Portraits. Im Grunde dient die ganze Sache aber vor allem der Gruppenbildung, und wenn man sich so anguckt, was wir abends so gemeinsam anstellen (ab in den Wald, und die, die die Taschenlampen haben, schreien, bevor die anderen in den Pfützen versinken) oder die riesengroßen Frisbee-Runden sieht, sind wir schon sehr gut darin, ein Rudel zu sein.
Ein kleines Erfolgserlebnis gab's auch schon: Wir mussten in Gruppen Portraits auswählen, die in die Wahl zum besten Portrait des Kurses kamen, und mein Bild von Richard hat es unter die besten geschafft! Juhu! Für den Sieg hat es nicht gereicht, aber zum Anreichern des Selbstbewusstseins allemal. Aaaah, Komplimente ... :)
Ich werde Bilder nachreichen, sobald ich wieder ein gut funktionierendes Internet habe, das Wi-Fi hier ist eher schneckig.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Seltsam

Wir waren in Cardiff in der Third Floor Gallery, bei der Eröffnung von Maciejs Dakowicz' "Cardiff After Dark". Eine sehr gute Ausstellung mit sehr ehrlichen, gleichzeitig erheiternden und deprimierenden Bildern. Ein ganzer Haufen Fotostudenten aus Newport war da und ich habe es geschafft, alle am ein oder anderen Punkt zu verlieren. Am Ende hab ich den Großteil wieder gefunden, aber die Pointe ist: Gerade als ich völlig verloren und verwirrt da stand und meine Leute gesucht hab und die Gallerie sich leerte, hat jemand versucht, sich mit mir zu unterhalten. Er war sehr nett und ich hab ihm auch ein bisschen was erzählt, aber dann hab ich ihn recht abrupt stehen gelassen, weil ich, wie gesagt, sehr verwirrt und alleine war, und meine Leute finden wollte.
Mir ist dann heute morgen aufgefallen, dass dieser nette Mann dem Typen auf dem Facebook-Foto ähnlich gesehen haben könnte (ich weiß es nicht mehr so genau). Er hat auch mit Akzent gesprochen. Mit anderen Worten: Es könnte durchaus sein, dass Maciej Dakowicz versucht hat, sich mit mir zu unterhalten. Ohne, dass ich ihn erkannt hab.
Ich bin so ein schlechter Fotografie-Student. David Hurn (Magnum-Fotograf) war auch da. Den hab ich auch nicht erkannt.

Samstag, 13. Oktober 2012

Ein Wunder, oh, ein Wunder!

Ich wurde soeben Zeuge einer Wunderheilung (und meine Eltern ebenfalls, via Skype live zugeschaltet). Meine tapfere Rolleiflex ist, ohne einen Mucks zu machen, aufgestanden und hat das Krankenzimmer ohne Rollstuhl, ohne Krücken verlassen, um neue Abenteuer zu erleben.
Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie das geschehen konnte. Tote sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. (Mir wurde heute erzählt, dass es den Film "Scooby Doo on Zombie Island" gibt. Ehrlich?)

Freitag, 12. Oktober 2012

Begegnungen

Und ich hatte doch tatsächlich gehofft, diese Namen nie wieder zu hören. Oder zumindest nur im gequälten Stöhnen meiner lieben Ex-Englisch-Kommilitonen. Aber nein, gestern, alle drei in einer einzigen verdammten Vorlesung: Roland Barthes, Michel Foucault, Edward Said. -- Offensichtlich kommt man um die drei Herren nicht mal herum, wenn man bloß ein paar Bilder schießen will.
Ansonsten muss ich ja mal sagen, dass mir Vorlesungen gar nicht so schlecht gefallen! Gestern nachmittag hatte ich meine erste richtige, so mit Hörsaal und allem drum und dran, und das hat schon Stil. Ich glaube, mir gefallen meine Theorie-Module genauso gut wie die Praxis-Module. Gar nicht übel.
Donnerstags morgens ist immer Talk(show) mit Colin, unserem Ober-Theorie-Dozenten, dessen Enthusiasmus und Aktivität manchmal etwas zu viel für morgens früh sind, bei dem aber die Arbeitsatmosphäre ungleich entspannter ist als sonstwo. Wenn er nicht gerade Fotografen nach Fotografen aus dem immensen Fundus in seinem Kopf gräbt - und hier ein Querverweis auf Malerei im 17. Jahrhundert, dort eine Verbindung zu Polizei-Fernsehserien von 2005, und eben noch eine kleine Geschichte über seine Tochter oder die sinistren Verwandten im deutschen Süden -, dann quetscht er bevorzugt Erstsemestler aus. Wo kommt ihr her? Welche Fotografen mögt ihr - und warum? Wenn ihr im dritten Jahr machen könnt, was ihr wollt, was wäre euer Traumprojekt? Was haben eure Großeltern im zweiten Weltkrieg gemacht? Bei ihm muss auch jeder eine Präsentation geben, fünf Minuten, ohne Skript, über ein paar Bilder, die einen faszinieren/abstoßen/interessieren/irritieren. Gestern waren die ersten drei Versuchskaninchen dran: Und ich schwöre, ich habe noch nie so eine schlechte Präsentation wie die von Agata gesehen. Noch nie. Rücken zur Klasse, und sämtlichen Text in leiser Stimme abgelesen. Colin war trotzdem nett zu ihr. Das macht mir Mut. In zwei Wochen bin nämlich ich dran.
Es gibt sehr freundliche Menschen hier, ich hatte es schon öfter erwähnt. Und heute habe ich es mir wieder selbst bestätigt! So viele nette Begegnungen.
Da war zunächst "that gentleman" (O-Ton Bäckereiverkäuferin) Steve, der Manager bei Wren's Bakery. Der hat nur verständnisvoll genickt, als ich ihm meine üblichen Sorgen vorgetragen habe - documentary photography student, people at work, could I, maybe...? -, mir erklärt, dass ich nicht der erste von der Sorte bin, und dann ohne Zögern die Erlaubnis gegeben, in der Bäckerei zu fotografieren. Muhaha. Mission erfüllt. Dumm nur, dass der verabredete Tag ein Mittwochmorgen ist. Mittwoch morgens um sechs Uhr. Morgens. An dem Tag, an dem ich später noch mit Phil im Sherman Cymru verabredet bin. Das wird ein Spaß...!
Dann waren da John und Ashleigh. Ashleigh arbeitet in einem Fahrradfachgeschäft, wollte sich nicht fotografieren lassen, hat aber sehr nett "nein" gesagt, und als ich gerade wieder gehen wollte, kam John, ein Freund von Ashleigh. John ist passionierter Radler, das ist ja schon mal recht sympathisch, und er kann hervorragend Geschichten erzählen. Hat er dann auch gemacht. Nach einer halben Stunde im Fahrradladen, ohne auch nur ein Foto mehr auf der Speicherkarte, hatte ich ein bisschen Walisisch gelernt, eine detaillierte Wegbeschreibung der besten Radwege aus Caerleon raus, eine Zeichnung von John auf dem Rad ("Never forget Bulmore Road!") und fast noch einen Kaffee und einen Brandy. Diese Waliser.
Dann waren da ein Haufen Afghanen in einem Autowaschsalon, die nicht nur gern bei der Arbeit fotografiert werden wollten, sondern auch mit mir. Neben 130 neuen Bildern haben wir versucht, uns zu unterhalten - hat nur mäßig geklappt, aber ich glaube, erfahren zu haben, dass einer Deutschland und Belgien für das gleiche Land hält, während ein anderer gerne ein eigenes Geschäft aufmachen würde. Jedem das Seine!
Zuletzt war da der nette Herr von der Post, der extra drei leere Blätter mit meinem Briefumschlag gewogen hat, damit wir auch ja richtig lagen mit dem Porto! Anschließend hat er mir geholfen, mein Kleingeld loszuwerden - "Oi! Just give me these old coppers, that's three pennies, keep that silver one, will ya?" Ein- und Zweipence-Stücke sammeln sich ungefähr genauso schnell an wie die kleinen Kupfereuros. Und sie sind genauso nervig.
-- Ach ja, meine Waliser -- ich glaub, mir gefällt's wirklich.
Und ich hätte ja fast... oh nein! ... Andrew und James vergessen. Die sind zwei Tischler, die ich am Mittwoch fotografiert habe. Die bauen grad einen Fish&Chips-Shop, davon können die Waliser ja nie genug haben, und da war ich live dabei. Nun verhält es sich ja so, dass ich, wenn die wahren Waliser den Mund aufmachen, nur die Hälfte verstehe. Andy ist Waliser. Aber wir hatten das mit der non-verbalen Kommunikation schnell raus. Ich winke mit der Kamera, und Andy posiert. Ganz einfach.
Maria, ich weiß, ich hatte versprochen, kein Fleisch mehr hochzuladen. Aber... darf ich vorstellen: Mister Januar.

Das wahre Killer-Foto habe ich dann jedoch von James und der Nagelpistole gemacht. Ich hoffe, dass Clive das im nächsten W.I.P.-Meeting auch so sieht, das wäre nämlich mein "second one in", und das wäre natürlich das Sahnehäubchen dieser Woche. Ein wenig Geduld, werte Leser, ich werde berichten.

Dienstag, 9. Oktober 2012

So viel zu...

... meiner Erfolgssträhne. Meine tapfere Rolleiflex SL35 E hat noch ein Bild geschossen (ihr sechzehntes, auf dem derzeitigen Film), dann hat sie die Augen geschlossen und nicht wieder geöffnet. Weinen, Anschreien und Riechsalz haben nicht geholfen, einen Defibrillator hatte ich so schnell nicht zur Hand. Ich hoffe jetzt auf eine Reanimation in nächster Zeit durch eine neue Batterie oder einen der ansässigen Techniker.

Montag, 8. Oktober 2012

Noch am Leben

Zuallererst, wenn ich in den Blog gucke, gucke ich in die Leser-Statistik (der Traum eines jeden Autors. Jedes Buch sollte so etwas haben). Wann wurde ich von wem wie gelesen? Derzeit kommen die meisten Leser aus Deutschland - seltsam, seltsam -, ich habe keine russischen Zuleser mehr - wo seid ihr hin? - und zum ersten Mal haben die Mac-Nutzer die Windows-Nutzer überholt! Na sowas! Was Google so alles weiß. Mich freut's natürlich, aber eine kleine Stimme sagt mir, dass ich mir eigentlich Sorgen machen sollte.
Doch heute ist kein Tag zum Sorgen-Machen. 
Das könnte zum einen daran liegen, dass meine Erkältung einen großen Teil des Hirns für sich beansprucht, die Funktionen außer Stand gesetzt, und mich in einem Zustand eigentümlicher Dummheit und Sorgenfreiheit zurück gelassen hat. Die meiste Zeit starre/döse ich vor mich hin, bis mir plötzlich wieder einfällt, dass ich doch noch ... vor einer halben Stunde ... auweia. Und das ganz ohne Antibiotika; die Mischung aus Nasenspray, Naselaufen und Erkältungstee tut schon ihr Übriges. Mag nicht mehr krank sein. Ich hab heute eine Stunde im Supermarkt verbracht, um Milch und Taschentücher zu kaufen.
Zum anderen liegt mein "Anti-Sorgen-Flow" wohl an den Erfolgserlebnissen, die sich seit gestern wundersam mehren. Immer, wenn die Intelligenz mal einsetzt ... ich hab gestern zum ersten Mal seit langem eine Kurzgeschichte geschrieben. Die letzten datieren auf 2010, ich hab nachgeguckt. Die Inspiration kam so über mich. Ich hab seitdem nicht mehr reingeguckt, aus der Angst, dass ich im Erkältungsnebel nur Müll verzapft habe. Freiwillige vor!
Außerdem hatte ich heute morgen mein W.I.P.-Meeting, diesmal mit Clive, und Clive ist wohl noch ein anderes Kaliber als Paul. Es geht ja darum, aus hunderten von Bildern die fünf zu finden, die am Ende benotet werden... und was soll ich sagen, ich hab mein "first one in"! Applaus bitte. John und ich haben den Durchbruch geschafft. Der Vegetarier und der Fleischer. Als wären wir füreinander bestimmt.
First one in: John und der Braten.

Und zuletzt habe ich vorhin das erste Mal erfolgreich Porridge produziert. Ich bin jetzt in Großbritannien, da passe ich mich den örtlichen Essgewohnheiten an - mal abgesehen vom Fleisch, sorry, John! Und Porridge ist ja so lecker... und ich kann es machen, wann und wo ich will... harrharr. Da kann die Erkältung nicht gegen anstinken. Ich gehe mir jetzt Taschentücher in die Nase stopfen, damit ich aufhöre zu tropfen, und dann gehe ich das nächste Erfolgserlebnis suchen. Mir ist gerade so nach tollkühnen Taten.

Tollkühne, oder zumindest gute Taten könnt auch ihr vollbringen: Meine Freundin Sophie sucht Unterstützung für ihre erste Fotoausstellung. Beeindruckend. Ganz so weit sind John und ich noch nicht.

Samstag, 6. Oktober 2012

Review: "Sure of you", Armistead Maupin

"They paid an old man ten bucks for the pair [of chairs] and tied them on to the VW, fussing like nuns with a fresh busload of orphans."
Wenn ich jemals solche Bilder schreiben kann, nennt mich Gott. Oder Armistead Maupin. (Oder Richard, nicht wahr, Maike? Haha.)
"Sure Of You" ist fantastisch. Der sechste Teil der "Tales of the City"-Reihe, und somit offiziell der finale. Wieder einmal hat Maupin mir das Herz gewärmt. Es ist unglaublich, wie nah er seinen Figuren kommt, wie glaubhaft er sie macht, wie gekonnt er dabei die Balance zwischen Komik und Ernst behält. Der Schreibstil ist genial, besonders diese Metaphern, und diese kurzen, lustigen Einwürfe, die er manchmal macht. San Francisco ist inzwischen in den späten 80ern angekommen und die Charaktere  spiegeln einmal mehr das wieder, was ich Maupin ohne zu zögern als "Zeitgeist" abkaufe.
Auf dem Umschlag ist ein Zitat aus der New York Times, von David Feinberg: "I know I was not the only one who was up until two in the morning, promising myself to stop after just one more chapter." Hier sitzt noch jemand, der das Buch nicht weglegen konnte.
Und zum Glück - hoot, hoot! - gibt es noch zwei weitere, indirekte Sequels. "Micheal Tolliver Lives" kommt, muhahaha!

Freitag, 5. Oktober 2012

Meine Damen und Herren...

...die Beijing Bandits! In voller Pracht. Aufm Handyfoto.

Meine Eltern haben mir ein wunderbares und sehr schweres Care-Paket aus Deutschland geschickt und waren so umsichtig, auch gleich das Handy-Computer-Kabel mitzuschicken. Somit löse ich doch gleich mal mein Versprechen ein... oder hatte ich überhaupt versprochen, das Bild nachzureichen? Nun ja, hier ist es. Ohne Urwald-Didgeridoo-Spieler, der hatte sich zu dem Zeitpunkt schon zu Jenna und mir auf die Tanzfläche gesellt.
Aber keine Sorge, liebe Leute. Auch wenn ich jetzt meine Handy-Kamera im vollem Umfang ausnutzen kann, bedeutet das nicht, dass ich meine liebe kleine DSLR in die Ecke werfe und mich zu jenen Dokumentarfotografen zähle, die mit dem iPhone nach Afghanistan reisen und den Krieg fotografieren (gibt's auch). Nein, nein, mein süßes Kamerachen bleibt bei mir, bis der Tod uns scheidet - oder die Nikon D700.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Fresher's Flu

Ich bin erkältet. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Fresher's Flu (Frischlings-Grippe) geht um. Jetzt hat's mich erwischt und ich sitze hier und ich habe Kopfschmerzen und Halsweh und Schnupfen. Zu meiner Aufmunterung sieht mein Hals-Desinfektionsspray aus wie ein Dalek, und da ich wie ein Dalek klinge, wenn ich versuche zu sprechen, geben wir beide ein gutes Paar ab. "Exterminate flu, exterminaaaate!"
Aber schon spielt mir der frisch erworbene Fotografen-Ethos einen Streich. Ich kann zwar nicht groß reden, und mir ist ständig kalt, aber das heißt ja nicht, dass ich nicht fotografieren kann. Nach der offiziellen Bibliotheks-Einführung - und schon wieder zwei weitere Bücher ausgeliehen! Das Sortiment hier ist auch einfach zu gut, und mein leeres Studentenwohnheimbücherregal will ja gefüllt werden! - ging es flugs mit Richards Auto in die Stadt. Weitere Portraits standen an. Fleißig, fleißig muss der Fotografiestudent sein. Mal wieder zog es uns zum Fluss und mal wieder fanden wir allerlei zum Posieren und Fotografieren. Immerhin lag ich diesmal nicht auf der Straße. Stattdessen durfte ich auf einer Kinderrutsche sonnenbaden. Nicht das schlechteste an einem Donnerstag.
Ich: "Das kann ich aber nicht als dein Porträt nehmen." Er: "Nein, aber es ist lustig. Stell's bei Facebook rein."


Nach geschafftem Shooting zog es Richard zurück in die Bibliothek, ich bin noch in der Stadt geblieben. Die Drittjährer (Drittlinge? Drei-Jährer? Drittjahristen? Die Doc-Phots aus dem dritten Jahr. So.) hatten zur privaten Voransicht ihrer diesjährigen Ausstellung "Threshold" geladen, freie Getränke und Snacks inklusive. Es ist schon wirklich beeindruckend, was die so machen und können. Jack (ein anderer Jack, als jener zuvor mal genannte. Der Name ist gelinde gesagt inflationär.) hat eine fantastische Arbeit in Den Haag angefertigt, zum Ratko-Mladic-Prozess und dem europäischen Rechtswesen. Damit wird er auch fortfahren, in seinem freien Projekt im dritten Jahr... beeindruckend... Ich wäre ja nie auf die Idee gekommen... uah, in zwei Jahren steh ich da!

Und er sprach noch zu mir: "Offensichtlich bist du kein Vegetarier..." 
"EXTERMINAAATE!"

Dienstag, 2. Oktober 2012

Wahre Worte

"Colonialists are often accused of bringing homosexuality to Africa. Yet they never get attributed with a likelier anthropological truth: introducing penal codes to the continent that outlaw gay sex. An irony that bypasses homophobic leaders such as Zimbabwe's president, Robert Mugabe, is that anti-sodomy laws on their countries' statute books were first designed and implemented by the former colonial powers now accused of exporting homosexuality. Should former colonial masters not rather be accused of teaching Africa how to codify homophobia?" (Eusebius McKaiser, "Homosexuality un-African? The claim is an historical embarrassment", guardian.co.uk, 02. Oktober 2012.)

>> "Kolonialisten werden oft beschuldigt, die Homosexualität nach Afrika gebracht zu haben. Gleichermaßen wird ihnen nie eine viel wahrscheinlichere anthropologische Wahrheit zugeschrieben: die Einführung von Strafgesetzbüchern auf dem Kontinent, die homosexuellen Geschlechtsverkehr unter Strafe stellen. Die Ironie, dass jene Anti-Sodomie-Gesetze ihrer Gesetzbücher zuallererst von früheren kolonialen Mächten - welchen jetzt der Export von Homosexualität vorgeworfen wird - entworfen und eingesetzt wurden, entgeht homophoben Führern wie Simbabwes Präsident Robert Mugabe. Sollten die Kolonialherren von früher nicht vielmehr beschuldigt werden, dass sie Afrika beigebracht haben, wie Homophobie statuiert wird?"


Traurig, und wahr.


Guardian-Artikel: "Homosexuality un-African? Claim is an historical embarrassment"

All-Out-Kampagne in Kamerun

Montag, 1. Oktober 2012

Warten

Ich hab noch 10 Minuten, dann ist meine Wäsche nass und sauber genug, damit ich wieder rüber in den Laundry Room kann, um sie in den Trockner zu stecken. (Hoffentlich - ich misstraue der Waschmaschine ein wenig. Warum kann die nicht ganz normale Grad-Celsius-Angaben machen? Statt "white", "colour", "bright colour"?) Eigentlich waren es 30 Minuten zum Blog-Schreiben, aber mir ist da was dazwischen gekommen... heiße Schokolade...Facebook...
Jetzt sind es noch 9. Draußen herrscht reinstes walisisches Ekelwetter. Mich hat's auf dem Weg vom W.I.P.-Seminar zurück in die Wohnung voll erwischt - es ist nur einmal quer über den Parkplatz. Ich war tropfnass. Aber ich lebe noch.
Und das ist keine Selbstverständlichkeit! W.I.P. steht für "Work in Progress" und bedeutet, dass man in Kleingruppen von 4 bis 5 Leuten mit einem der Lehrer zusammenhockt. Der Lehrer guckt sich an, was man die Woche über fotografiert hat, und alle sind eingeladen, ihren Senf dazuzugeben. Ich hab ja schonmal von der Freundlichkeit und Demokratie der Fotografen gesprochen, und tatsächlich waren wir heute auch alle recht freundlich zueinander. Aber im Grunde dienen die W.I.P.s dazu, dich und deine Arbeit möglichst konstruktiv, dennoch gründlich zu zerfleischen. Der Tipp der höheren Semester war: "Be prepared for the worst." Ich war aufs Schlimmste vorbereitet, besonders als ich erfuhr, dass Paul mein Seminarleiter ist - "If he thinks your work is shit, he will tell you that it's shit." Doch - ta-daaah! - ich lebe wie gesagt noch. Es war eine sehr gründliche, aber auch sehr aufbauende Kritikstunde, die mir vermutlich sehr geholfen hat. Meine Bilder von Nolan im Fleischladen fand er gar nicht soooo schlecht. Ausbaufähig. Ich werde meine nächste Woche also weiterhin beim Fleischer und beim Hundefrisör verbringen. Außerdem auf meiner Wunschliste: Theatermacher, Antikladenbesitzer, Pastor. Weitere Vorschläge?
Übrigens darf ich tatsächlich ab Ende Oktober den Proben zu "Peter Pan" im Sherman Cymru in Wales beiwohnen! Hurra! Fotos über Fotos!
Und meine Wäsche ist durch.

Sherman Cymru - Walisisch oder Englisch