Sonntag, 27. Oktober 2013

Endlich Meer

le monde et la mer hat es endlich so richtig ans Meer geschafft - ganz dem Blog-Namen entsprechend! Von Freitag auf Samstag war ich nämlich in Aberystwyth - ihr merkt es schon an den vielen y's: tief in Wales, weit weg von der Grenze, an der Irischen See.
Irische See (ein Ausschnitt)
Meiner allerliebste Theater-Compagnie Propeller spielte am Freitagabend ihren Pocket Merchant im Aberystwyth Arts Centre und so ließ ich mich von Mira, einer Kommilitonin, im Auto mitnehmen. Unser Roadtrip war schon recht unterhaltsam, denn je nördlicher man gelangt, desto ländlicher wird es - wie man sich Wales eben vorstellt: grün, wild, mit vielen Flüsschen und vielen Schäfchen, und zudem hatten wir bestes walisisches Wetter, also Regen und Sturm. Mit guter Musik und Salt-and-Vinegar-Chips ausgestattet, erschütterte uns das nicht weiter.

Irgendwo bei Rhayader
In Aberystwyth angekommen, guckten wir uns zunächst eine halbwegs interessante Ausstellung von Landschaftsfotografie aus Palästina an, bevor Mira mich bei meinem Gastgeber für die Nacht ablieferte: Tom, Waliser, Student, und leidenschaftlicher Veggie-Burger-Koch. Den hatte ich über die Internetplattform Couchsurfing kennengelernt, und ich muss sagen, meine erste eigene Erfahrung als Couchsurfer hat mir durchaus gefallen. Tom wohnt mitten in der Innenstadt von "Aber" - was nicht viel aussagt, denn man gelangt zu Fuß innerhalb von 30 Minuten von einem Ende von Aberystwyth zum anderen. Er kümmerte sich um mich, bekochte mich (wirklich ausgezeichnete Burger!) und brachte mich rechtzeitig zum Arts Centre auf dem Uni-Campus, um dann dort zu arbeiten, während ich im Theater saß.
Der Pocket Merchant ist eine einstündige, aufs Wesentliche reduzierte Version des Kaufmann von Venedig von Shakespeare, vor allem auf jüngeres Publikum zugeschnitten. Ich hatte die längere Fassung von Propeller vor einigen Jahren in Neuss gesehen, und es war interessant, es nun im neuen Gewand, mit weniger Schauspielern und minimalen Bühnenbild zu sehen. Persönlich bevorzuge ich wohl die lange Fassung, aber was den Abend für mich wirklich besonders gemacht hat, ist, dass zum Pocket Merchant ein Gespräch zwischen Publikum und Schauspielern gehört, in dem man alles fragen darf, was man will. Es entwickelte sich eine höchst spannende Diskussion über den Antisemitismus des Stückes, und den Wert des Theaters im Allgemeinen und des Stückes im Speziellen für die Jugend. Die Schauspieler waren total locker und gut drauf und gaben sich Mühe, jeder Frage gerecht zu werden. Das war toll, allein für das Gespräch lohnte sich die Fahrt und das Eintrittsgeld.
Mit Tom lief ich dann zurück in die Stadt, lernte, dass die Kleinstadt Aberystwyth ganze 50 Pubs aufweisen kann. Wir hatten unsere erste politische Diskussion des Abends - Tom studiert internationale Politik - und beschlossen, zu einer kleinen Stadtführung im Dunkeln aufzubrechen, begleitet von Patrick, einem seiner Mitbewohner. Wenn man von Toms Wohnung zweimal um die Ecke läuft, kann man bereits die Wellen am Strand brechen hören. Die Schlossruine ist im Dunkeln beleuchtet, und Abers Promenade hat im Dunkeln einen ganz eigenen Charme. Ein sehr netter erster Eindruck dieser kleinen Stadt am Meer. Zusammen landeten wir dann in einem der vielen Pubs und verquatschten uns ordentlich. Die Diskussionen führten wir sogar "zuhause" noch weiter. Es wurde eine kurze Nacht auf Toms Sofa, denn um acht Uhr morgens mussten wir schon wieder aus den Federn - er musste zu einem Seminar, ich zum Zug.
Das nördliche Ende von Aber, Constitution Hill und die See
Netterweise war sein Seminar am Strand - weswegen ich das Meer auch noch mal bei Tag zu sehen bekam. Gerade als ich das erste künstlerisch wertvolle Foto auf Film bannen wollte, hauchten die Batterien meiner F3 ihren letzten Atem aus, daher müsst ihr mit Handyfotos vorlieb nehmen. Aber so habe ich immerhin einen Grund, nach Aber zurückzufahren. 
Zurück ging es dann mit dem Zug, entlang Orten mit wilden Namen wie Machynlleth oder Shrewsbury und malerischen Landschaften. Nach knapp fünf Stunden war ich wieder in Newport, um ein Abenteuer und neue Bekanntschaften reicher, schrecklich müde und ziemlich glücklich. Oh, ich mag das Meer, und das Theater, und Wales.
Zwischen Borth und Machynlleth

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