Samstag, 24. November 2012

Review: "The Historian", Elizabeth Kostova

"The Historian", auf Deutsch als "Der Historiker" erschienen, folgt vordergründig seiner jungen Hauptdarstellerin, wie sie auf ein düsteres Familiengeheimnis stößt und schließlich das Leben ihrer Eltern verfolgt und verändert, während diese auf der Jagd nach Dracula halb Europa durchreisen.
Das Buch wird gerne als "anderer" Vampirroman beworben, als historisches Schauerspektakel um den originalen Dracula, dem grausamen rumänischen Herrscher Vlad Tepes, und somit ebenso abseits von Bram Stoker wie von Twilight. Den Vampir-Aberglauben osteuropäischer Herkunft untermalt Kostova mit viel Geschichte, sorgsam recherchierten Fakten rund um Tepes. Die Hauptfiguren, von den Eltern Paul und Helen bis hin zum Obervampirjäger Rossi, sind allesamt Historiker. So wird die Monsterjagd mehr zur historischen Schnitzeljagd nach den besten Hinweisen in alten Büchern an exotischen Orten.
Dies wird leider zu Kostovas größtem Problem. Über große Teile des Romans bleibt Dracula abwesend, doch über ihn gesprochen wird genügend: Ein altes Volkslied nach dem anderem muss analysiert, eine alte Bibliothek nach der anderen durchsucht werden, auf der Suche nach Draculas Grab. Wenn schließlich die gesamte Geschichte Transsilvaniens, der Konflikt zwischen Rumänien und der Türkei und zahlreiche Vampirmythen durchgekaut sind, ist das Grab noch immer weit davon entfernt gefunden zu werden. Eingefleischte Historiker finden das vielleicht aufregend, ich suchte vergeblich nach einem Spannungsbogen, es geschieht ja doch immer das Gleiche. Selbst Dracula entpuppt sich schließlich als in Geschichte vernarrter Bücherwurm.

"I was still wrestling with my disappointment; I realized now that I had expected these letters in their faded binding to hold the final key to our search", seufzt Paul auf Seite 525 und ich seufzte mit ihm: Ich auch, ich auch.

Es hilft leider überhaupt nicht, dass das Buch aus der Sicht einer jungen Nachwuchsforscherin geschrieben ist, da sie über lange Strecken nicht viel mehr tut, als Briefe ihres Vaters Paul zu lesen, die Briefe beinhalten, die sein Mentor geschrieben hat, oder andere, "historische" Briefe. Im Prinzip hätte man die ganze Geschichte um das Mädchen weglassen können (sie hat ja nicht einmal einen Namen), Paul hätte als einziger Hauptdarsteller wunderbar funktioniert und vielleicht der Geschichte als unmittelbar erlebender, nicht sich erinnernder Protagonist etwas mehr Leben einhauchen können. Um die Spannung aufrecht zu erhalten und das Label "Thriller" zu rechtfertigen, wird stattdessen ab und zu mal jemand umgebracht, gerne grundlos gewalttätig und die Story nicht weiter beeinflussend (Rache statt Wissensdurst als Motiv? Wo kämen wir denn dahin!). Sämtliche Action wird innerhalb weniger Seiten abgehandelt, um dem im-historischen-Heuhaufen-Stochern nicht im Wege zu stehen, und auch die irgendwann recht absehbare Pointe ist nach 600 Seiten so kurz gehalten, dass sie den Leser nicht weiter aufweckt, höchstens ein "Das war's schon?"-Gefühl hinterlässt.
Ich bin durchaus offen für die "wahren" Hintergründe des Dracula-Mythos und alles abseits gängiger Vampir-Klischees. Auch Geschichte finde ich mitunter anregend und interessant. Von einem Autor erwarte ich dennoch so etwas wie das Bemühen um einen Spannungsbogen, sorgsam durchdachte und wenn nicht vollkommen eingebundene, dann wenigstens bedeutungsvolle Plotelemente, in irgendeiner Form lebhafte und ansprechende Charaktere und irgendwann einen Schluss. Insofern hat "The Historian" in meinen Augen nicht nur all die Empfehlungen, durch Freunde oder begeisterte Kritiken auf dem Buchdeckel, Lüge gestraft, sondern mich auch auf voller Linie enttäuscht.

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