Donnerstag, 1. August 2013

Review: "Jonathan Strange & Mr Norrell", Susanna Clarke

Es ist August, und somit der erste Monat, in dem das kleine Antiquariat am Wendehafen nicht mehr existiert. Das ist ganz schön traurig, vor allem in der Hinsicht, dass ich den Laden erst im Juli für mich entdeckte. Wenigstens einen Schatz fand ich immerhin dort: Susanna Clarkes Jonathan Strange & Mr Norrell, in einer wunderschönen, illustrierten dreibändigen Schuber-Ausgabe, in der Original-Sprache Englisch. Nun ist es verschlungen und verdaut, und ich bin irgendwie glücklich.
Jonathan Strange & Mr Norrell erzählt davon, wie die Magie zu Anfang des 19. Jahrhunderts nach Großbritannien zurückkehrt. Norrell, der zunächst einzige praktizierende Magier im Land, und sein Schüler Strange sind sich bald uneinig, wie weit sie ihre Macht einsetzen können und dürfen. Als ein trickreicher, mies gelaunter Feen-König ins Geschehen eingreift, weil er sich in den Kopf gesetzt hat, einen seiner Günstlinge zum neuen englischen König zu machen, und Großbritannien sich im Krieg gegen Napoleon nicht mehr zu helfen weiß, müssen beide Zauberer weitreichende Entscheidungen treffen, die - Magie hält, wie man spätestens seit Harry Potter weiß, ja immer einige Fallstricke bereit - gerne mal das Gegenteil vom Erwünschten erreichen. Während Strange und Norrell sich zunehmend bekriegen, wird die Gefahr von außen immer drückender, bis hin zum packenden Showdown.
Nachdem ich eine ganze Weile der Fantasy den Rücken gekehrt hatte, bin ich spätestens seit Der Kleine Hobbit wieder offen dafür - und ich muss sagen, in diesem Fall hat es sich gelohnt. Susanna Clarke schreibt ganz wunderbar und allein für gute Autoren lese ich gerne. Clarke hat sich ein Beispiel am populären Schreibstil des 19. Jahrhunderts genommen und ihren Stil behutsam angepasst - in der Rechtschreibung, in den rhetorischen Mitteln, der Erzählweise. So liest es sich gleichzeitig modern, spannend und doch, als wäre man in einer ganz anderen Zeit, ganz woanders.
Das Buch nimmt langsam Tempo und Action auf, führt erst geruhsam ins noch magiearme Großbritannien ein, zieht durch die Kriegszeiten an, bevor am Ende (fast ein wenig hektisch) Schlag auf Schlag und Zauber auf Zauber folgt. Es ist sorgsam recherchiert worden, und die englische Gesellschaft und der Krieg werden wortreich und vielfältig beschrieben. Die Gestalten sind mitunter kurios, und hier und da blitzt ein schalkhaftes literarisches Augenzwinkern auf, oder eine wahrlich slapstick-hafte Szene, die den Roman zu einem wahren Vergnügen machen. Keine der Figuren (auch die bisweilen sehr liebenswürdigen Nebenfiguren) ist einseitig, nie fehlt es an Antrieb oder Charakterisierung, und so manche Wendung ist wirklich kaum vorhersehbar - wie auch, bei der ganzen Magie wissen selbst Strange und Norrell nicht immer, was passieren wird. Das macht es so spannend, dass ich das Buch manchmal kaum weglegen wollte.
Für mich ist es auch immer ein gutes Zeichen, wenn ein Buch ein Kopfkino auslöst, wenn ich den Text quasi schon auf der Leinwand sehe. Clarke hat ein ganzes Sammelsurium an wunderschönen Bildern herauf beschworen, und das Buch zählt ab jetzt zu einem meiner Liebsten - ich kann es euch allen nur empfehlen. Jonathan Strange sieht übrigens, wenigstens für mich, aus wie James McAvoy.

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