Montag, 28. Juli 2014

Seid ihr nicht müde?

Das Phänomen kennen wir wohl alle: Man guckt sich einen Trailer für einen Kinofilm an, und denkt, boah, geil. Tolle Schauspieler, tolle Tricks, irre Handlung. Dann liest man noch zwei, drei vielversprechende Pressetexte und vielleicht die erste überschwängliche Rezension, und geht im Folgenden höchst erwartungsvoll ins Lichtspielhaus, in Vorfreude auf den bestimmt besten Film des Jahres.
Und dann sitzt man da, hat aus Frust vielleicht schon in den ersten zwanzig Minuten den Popcorn-Eimer leer gegessen, und muss sich schnell, spätestens beim Abspann eingestehen: Das war nix. Und all die 'Highlights', die waren schon im Trailer.

So erging es mir gestern abend mit der bremer shakespeare company und ihrem Stück Wie Es Will Gefällt, einer Revue zum Geburtstag des Barden Shakespeare - stilecht mit Gesang und Torte. Den Trailer auf der Website hatte ich mir nicht einmal angesehen (wohl aber das Fräulein C, welches mich liebenswürdigerweise begleitete), jedoch einen launigen Radio-Beitrag samt lustiger Dialoge und Regisseur-Interview gehört und die begeisterten Kritiken vom Shakespeare-Festival in Neuss gelesen. Die Prämisse war wahrlich mundwässernd - es erzählt von einem Shakespeare-Experten, dessen dröger Vortrag über Leben und Werk des Meisters von streitbaren Shakespeare-Figuren wie Titania und Hamlet und schließlich vom Meister selbst unterbrochen wird. Mit ähnlichen Stücken, Shakespeare in Trouble und Ein Königreich für einen Ball, begeisterte uns die bsc schon vor Jahren. Es konnte also eigentlich nichts schiefgehen, schließlich sind das Fräulein C und ich schon lange wahre bsc-Liebhaber, auch wenn unsere Brillen seit dem Richard-III-Debakel ("das Stück, dessen Namen man nicht nennen darf") etwas weniger rosarot sind als sonst.
Aber es war eine Enttäuschung. Die erste Hälfte begann und endete langatmig, dazwischen gab es schiefen Gesang, einen unnötig vulgären Hamlet-Auftritt und ein paar Tonpannen. Pluspunkte möchte ich an die Einleitung - eine freche Hommage an die französischen und britischen Kollegen - vergeben, sowie an die Schauspieler Ulrike Knospe und Tobias Dürr, die nicht nur als Titania und Oberon glänzten, sondern auch als so-norddeutsch-dass-es-beinahe-Platt-wäre-aber-auch-wirklich-nur-beinahe schnackendes Hausmeisterpärchen mit Slapstick und Körperbeherrschung überzeugten.
Die zweite Hälfte holte ein wenig auf, ließ die Schauspieler weniger steif und öfter miteinander agieren. Die Szene, in der ein Puritaner versucht, die wild die Bühne erobernde Schauspielertruppe des Barden zu zähmen, geriet zum lachmuskelzerrenden Höhepunkt des Stückes. Doch durcheinander geschichtete Meta-Ebenen und die stetige Rückkehr zu den Fakten aus Shakespeares Leben - dröge vom unengagiert wirkenden Peter Lüchinger vorgetragen, herzlich nachgestellt von den jungen Shakespeare und Marlowe (erneut Dürr sowie die mit Spielfreude überzeugende Petra-Janina Schultz) ließen die Gesamtwirkung erlahmen.
Als die Welt noch in Ordnung war:
Ein Königreich für einen Ball im Park.
Es ist nicht schwer auszumachen, wo die Schwierigkeiten lagen. Im Vergleich mit dem Trailer fällt auf, dass einiges am gestrigen Abend dem Spielort zum Opfer fiel - es war Shakespeare im Park, und open air im Bremer Bürgerpark sind gewisse Lichteffekte und Schattenspielereien schlicht unmöglich - adäquat ersetzt wurden sie jedoch nicht -, zudem waren einige Tonprobleme wohl dem Wind geschuldet, und manche Songs, die im kleinen, geschlossenen Theater vielleicht Stimmung aufkommen lassen, verloren sich in der Weite des Parks.
Doch die größte Schwäche des Stücks war, nun, das Stück. Statt die Shakespeare-Charaktere aufeinander prallen zu lassen und vom Vortrag ins Fantastische zu wechseln - so geschehen etwa in Ein Königreich für einen Ball - reihten Jessica Swale und Regisseur Raz Shaw die Szenen so lieblos aneinander, dass kein Zusammenhang entstehen konnte, Figuren auftraten und wieder verschwanden und nur eine blasse Erinnerung ans verspielte Potenzial hinterließen. Die durcheinander wirbelnden Meta-Ebenen verstärkten dies nur - da wurde vom Hausmeister-Pärchen zu einem wütenden Elfenehepaar zu den Chamberlain's Men zu den unmaskierten Schauspielern der bsc gesprungen, ohne jegliche Verbindung. Auch die Kostüme, scheinbar wahllos aus dem Fundus geschnappt, halfen da wenig.
Am Ende ist man immer klüger. Wer vorher nichts über Shakespeare wusste, ging nun vielleicht bereichert ("Der Vater war ein Handschuh-Macher? Na sowas!") und amüsiert aus dem Theater. Das Fräulein C und ich fanden es weniger lustig - nichts Neues an der Front, und auch dahinter müde Lacher und Langeweile, Vulgaritäten und angestrengte Stimmung, und nur selten das mühelose Volkstheater, das wir an der bremer shakespeare company so schätzen. Liebe bsc, Shakespeare ist gerade für seinen 450. Geburtstag gefeiert worden und alles andere als tot, wie ihr gestern bewiest; da könntet ihr euch doch auch mal eurer alten Stärken besinnen, und uns, die alten Fans, wieder ins Theater locken. Und das nächste Mal bitte nicht nur mit einem überdrehten Trailer.

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